Presse

Michael Kohlhaas

 
ZURÜCK BLEIBT DAS GEFÜHL DER OHNMACHT

„Michael Kohlhaas“ bei den Puppenspieltagen

Schweinfurt Literatur hautnah erlebbar machen, ist den Puppet Players aus Gauting rundum gelungen. Ausgerechnet an die Kleist-Novelle „Michael Kohlhaas“ haben sie sich gewagt, und im Nachhinein kann man nur feststellen, dass es ein Verlust gewesen wäre, hätten sie es nicht getan.

Zweifellos gehört spielerische Besessenheit dazu, den aufwändigen Stoff der Novelle umzusetzen und die Fahrten des Michael Kohlhaas zwischen Brandenburg und Sachsen erlebbar zu machen. Optisch durch den roten brandenburgischen Adler und die grüne sächsische Raute auf die Bühne geholt.

Daraus allein wird noch kein Spiel. Auch hier sind die Akteure um keinen Einfall verlegen und präsentieren ein Multimedia-Spektakel (Textbearbeitung und Konzept: Susanne Forster), das schmerzliche Betroffenheit zulässt, zerborstene Hoffnungen und den Traum von der nicht habhaft zu machenden Gerechtigkeit.

Als „Cantus firmus“ dient der ursprüngliche Novellen-Text von Heinrich von Kleist, den Walter von Hauff mit viel persönlichem Engagement vorträgt. Er schildert die Umstände, die aus dem Ehrbaren und gewissenhaften Bürger Michael Kohlhaas den mord- und brandsüchtigen Terroristen machen, auf dem Weg zwischen Lesepult und dem als authentischen Spieltisch umfunktionierten Küchentisch, an dem die Tischschublade die Funktion hat, ein Grab zu sein.

Gefährliche Aktualität kommt ins Spiel, wenn die auf einem Holzklotz postierten statischen Puppen (Figuren: Herwig Kemmerich) ihre Positionen abstecken, Standpunkte klären und das Publikum in den Strudel der Geschehnisse machtvoll einbeziehen, während schemenhafte Schatten auf weißen Leinwänden schauerliche Großmachtpolitik demonstrieren und die projektierten Flammenwüsten die Brandkatastophen des zum Mordbrenner gewordenen Kohlhaas signalisieren.

Dann wird die Gestalt des „Luther“ bei seiner Philippika an den umsturzbereiten Michael Kohlhaas zum knochenharten Prüfstein für den Reformator, während der Abschied für immer, den Kohlhaas von seiner Frau nimmt, tiefschichtige Empfindungen auslöst.

So ist es der Widerstreit der Gefühle, der die Wende des Michael Kohlhaas zur Einsicht zwar rein rational nachvollziehbar macht, aber das geballte Gefühl lähmender Ohnmacht in den Zuschauerreihen zurücklässt. An dieser Stelle kulminiert in der „Kohlhaas“-Inszenierung (Regie: Bodo Bühling) der hochbrisante politische Anspruch der Kleist-Novelle. Denn sie ist durch ihre profunde Analyse der Denkweise und Gemütsverfassung eines Rebellen aus der Zeit der Bauernkriege eine stichhaltige Antwort bei der Suche nach Erklärungen für terroristische Schreckenswellen.
— Mainpost (Von Claus P. Gras, 20.10. 2008)
Vom Pferdehändler zum Totschläger

Wie wird ein unbescholtener Mensch zum Terroristen, zum Mörder, zum Rächer an unschuldigen Personen? Dieser Frage versuchte Heinrich von Kleist in seinem Michael Kohlhaas auf den Grund zu gehen. Doch eine Erklärung für die Schandtaten, die in geistiger Verwirrung und/oder aus unsäglichem Schmerz entstehen, kann nur aus dem Verständnis des Außenstehenden erwachsen… Im Puppenspiel beginnt mit eines überarbeiteten Originaltextes die Analyse der Gemüts- und Motivationslage von Kohlhaas…
— Süddeutsche Zeitung
…Spannend, erschütternd und aktuell wie nie… Susanne Forster entschied sich dazu, den Kleistschen Text einzustreichen statt umzuschreiben. Für die Bühnenbearbeitung bedeutet das, dass der Erzähler (hervorragend der Münchner Schauspieler Walter von Hauff) auftritt, aus der Novelle vorliest und ab und an in die Rolle des Michael Kohlhaas steigt. Die Handlung ist auf die wesentlichen Stränge reduziert und in einem spannungsvollen Bogen mit gelungenen Tempiwechseln und dramatischen Höhepunkten dargestellt…
— Münchner Merkur
…So sieht man ihn dastehen, den Kohlhaas, „einen der rechtschaffendsten und zugleich entsetzlichsten Menschen“, der für den einzig von ihm geheiligten Sieg sogar sein Leben gern opfert. So einer wie er fliegt auch gegen Hochhäuser…
— Süddeutsche Zeitung