“Die Puppet Players mit „Der weiße Dampfer“ in Wiesbaden
…Tschingis Aitmatows Novelle „Der weiße Dampfer“ liegt einer Aufführung zu Grunde, mit der die Münchner Puppet Players bei den Internationalen Maifestspielen im Staatstheater Wiesbaden gastierten…
Die Puppet Players haben die Vorlage zu einem poetischen Bilderbogen umgesetzt, der sich auf einem Breitwandaquarell mit dem Panorama des kaukasischen Bergsees entfaltet. An der Seite nimmt die Erzählerin Platz. Das Geschehen spielt sich teils in ihren Händen mit Stabpuppen, teils auf der Oberkante des Bildes mit beweglichen Miniaturen, teils auf der Mitte der Guckkastenbühne und schließlich in Schattenbildern tief hinten im Bühneraum ab. Eine sanfte Stimme spricht zunächst die Erfahrungen und Empfindungen des kleinen Helden aus, um dann in einer gleichermaßen skurilen und groben Phantasiesprache die archaische Dorfgesellschaft zu charakterisieren.
Die drei Puppenspieler beschwören ein in seiner Umwelt isoliertes Kindergemüt. Sie malen drohende und verlockende Traumbilder aus, zeigen surreale Gedankengänge voller realer Wahrnehmungen vom fallenden Schnee über den knallenden Schuss bis zum blutigen Hirschkadaver. Damit folgt die Inszenierung dem märchenhaften Erzählstil, hält aber den Kontakt zur Wirklichkeit und steuert auf einen Schluss zu, der schicksalhafte Erfüllung, aber kein persönliches Glück beschert.”
— Frankfurter Allgemeine Zeitung
“Tschingis Aitmatow zu Gast bei den Puppet Players
…Ohne den Blick von der Puppenbühne zu wenden sieht der Herr mit den grauen Haaren und den merkwürdigen Augen zu und taucht darin ein – dabei hat er die Geschichte vom „Weißen Dampfer“ selbst geschrieben. Tschingis Aitmatow ist zu Gast bei den Puppet Players. „Ich bin sehr gerührt und bewegt“, schilderte Aitmatow im Anschluss an die Vorstellung seine Eindrücke. Die Novelle „Der Weiße Dampfer“, sagte er, sei schon einige Male für Bühnenaufführungen dramatisiert und bereits zweimal verfilmt worden. „Doch ich hätte nie geahnt, dass noch eine weitere Möglichkeit besteht, nämlich das Puppentheater“. Es ist seiner Meinung nach gar nicht so einfach, für die Puppenbühne Stücke zu gestalten und aufzuführen. Umso mehr sei er den Puppet Players zu großem Dank verpflichtet. Besonders gelungen sei hier die Verbindung von Komik und Tragik. Und in den Puppen fand der Autor seine Figuren aufs Überzeugendste verkörpert. „Sie sind sehr ausdrucksvoll“, sagte er, „besonders die Augen“…”
— Süddeutsche Zeitung
“Seltene Eindringlichkeit
…Die schwarz vermummten Puppenspieler – Susanne Forster und Stefan Fichert – agieren noch sichtbar im Bühnenhintergrund, hauchen durch ihr ausgefeiltes engagiertes Spiel und mit perfekter Diktion einer Phantasiesprache den Puppen gleichsam Leben ein.
Einzige „deutsch sprechende“ Puppe ist die Hauptfigur – der sieben jährige kirgisische Junge, der in einer einsamen Försterei am Issyl Kul-Fluss aufwächst, und dessen eigene Welt aus heimatlichen Mythen, Tagträumen und Sehnsüchten zunehmend mit der Wirklichkeit kollidiert. Letztlich mündet das so unausweichlich in eine Tragödie wie der Issyl Kul in den großen See.
Die Erzählerin (Anna Fichert) agiert vor der Puppenbühne, spricht aus der Perspektive des Jungen und folgerichtig auch die Parts der Hauptfigur. Sie ist Sprecherin und Darstellerin zugleich. Diktion und verhaltene Mimik und Gestik geben der Figur des empfindsamen Jungen eine seltene Eindringlichkeit und Präsenz. Die sehr gelungene Ausstattung von Stefan Fichert, sehr effektvoll den Verlauf der Handlung unterstreichende – fast mitbestimmende – Geräusche und Tierstimmen aus dem Off tun ein übriges, die Zuschauer unweigerlich in den Bann dieser „poetischen Lebensfabel“ zu ziehen.
Großes Theater, das haben die Puppet Players gezeigt, hängt nicht von der Größe der Bühne ab.”